
Interview mit Silke Bernhardt
"Ich möchte vorausgehen und inspirieren"
Im Interview mit Silke Bernhardt, Inhaberin und Gründerin der Fleischloserei.
Hier lest Ihr den ersten Teil eines Interviews, das ich im März 2023 mit Silke geführt habe. Persönlich und nachdenklich berichtet sie von ihrer veganen Reise, die längst über ihr direktes Umfeld hinausreicht. Sie leistet Pionierarbeit in einem schwierigen Bereich, denn Ernährung ist für viele Menschen ein streitbares Thema.
Vegan zu essen ist im Jahr 2023 keine seltsame Nische mehr, in der nur nerdige Weltverbesserer hocken. Vegan essen und vegan leben ist heute im Alltag angekommen. Es stellt sich in Gesprächen mit Menschen, die nicht ganz die Augen vor den Entwicklungen der Welt verschließen, schnell heraus: Eigentlich jeder weiß, dass es besser wäre, auf tierische Produkte zu verzichten. Für die CO2-Belastungen, für einen rücksichtsvollen Umgang mit unseren Ressourcen und unserer Umwelt und oft auch ganz konkret für die eigene Gesundheit.
Verfolgen wir die Tendenz zu veganer Ernährung auf einer Kurve, so zeigt sie stetig nach oben. Silke Bernhardt leistet mit Ihrer Fleischloserei in Wien Pionierarbeit. Heute treffe ich die Gründerin und Inhaberin der Fleischloserei, im Interview. Die Fleischloserei ist die erste vegane „Fleischerei“ Österreichs. Hier verkauft sie ausschließlich pflanzliche Wurst, Aufschnitte und Salate. Immer frisch und zu 100% vegan.
Guten morgen, Silke. Seit wann lebst Du vegan?
Das Thema beschäftigt mich schon lange. Ich war zwischendurch, in verschiedenen Phasen meines Lebens, immer wieder vegan. Lange war diese Form der Ernährung aber ja gar nicht so gesellschaftsfähig wie heute. Vegane Snacks oder Mahlzeiten waren kaum vorhanden. In meinem Beruf als Fotografin war ich immer viel unterwegs, da war es manchmal sehr kompliziert, sich ausschließlich vegan zu ernähren. Leider.
Heute ist das glücklicherweise schon anders, aber mein Leben hat sich ja auch geändert. Komplett vegan lebe ich jetzt seit 2018.
Gab es bei Dir dafür ein Schlüsselerlebnis?
Es ist eher aus Überzeugung gewachsen, aber am Anfang stand dahinter natürlich der Wunsch, etwas zu verändern. Zunächst einmal für meine Gesundheit, aber auch emotional hat mich das Thema beschäftigt. Es war für mich immer schwer, Leid zu ertragen. Fleisch zu essen geschah für mich immer in dem Bewusstsein, dass ich großes Leid mitesse. Irgendwann fühlt sich das so unlogisch und falsch an, dass der Moment kommt, an dem es gar keine andere Wahl gibt. Ich möchte nicht, dass Tieren Leid zugefügt wird.
Hattest Du am Anfang Probleme mit der Umstellung?
Kein Fleisch und keinen Fisch mehr zu essen, war eher eine Erleichterung, weil es sich so richtig angefühlt hat. Auf die komplett vegane Ernährung umzustellen, war wirklich eher ein logistisches Problem. In Pensionen gab es vor einigen Jahren kein veganes Frühstücksangebot. Heute ist das ganz anders.
Wie sieht Dein typisches Essen für einen Tag aus?
Oh, ein typisches Essen gibt es bei mir nicht. Ich entscheide intuitiv, was ich brauche und wonach mir ist. Grundsätzlich esse ich aber viel Gemüse und andere Speisen, die ich mir frisch zubereite, so oft es eben geht.
Hast Du Tipps für den Start bei der Umstellung auf vegane Ernährung?
Ich denke, das Wichtigste bei der Umstellung auf eine vegane Ernährung ist, die Ruhe zu bewahren. In meinem Umfeld habe ich oft erlebt, dass Menschen sich selbst enormen Druck machen und anfangen, unter diesem Stress zu leiden. Das ist eher kontraproduktiv. Macht Euch bewusst, dass es keine Regeln gibt. Probiert einfach alles aus, bereitet so viel wie möglich selbst zu und tauscht Euch mit Veganer*innen aus. Der Rest kommt von ganz alleine.
Ist vegane Ernährung Deiner Meinung nach automatisch gesünder/ gesund?
Das ist eine gute Frage, die ich tatsächlich nicht zum ersten Mal höre. Nein, veganes Essen ist nicht automatisch gesund. Fleischesser*innen, Veganer*innen, Vegetarier*innen und alle irgendwo dazwischen können sowohl ungesund als auch gesund essen. Jede Ernährung kann Mangelernährung sein, und jede Ernährung kann durch viele frische Produkte ziemlich gesund sein. Ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln und ein kleines bißchen Interesse an Nährstoffen, die für den Körper wichtig sind, schaffen eine gute Grundlage für alle.
Wer tiefer in die Materie eintauchen möchte, findet zum Thema mittlerweile leicht verständliche Literatur. Oder fragt eine*n Ernährungsexpert*in, die wissen Rat.
Veganes Leben ist mit vielen Vorurteilen behaftet. Denkst Du, dass uns bewusst eine falsche Ernährungslehre vermittelt wird? Falls ja, warum?
Vieles, was wir über Ernährung zu wissen glauben, basiert auf völlig veralteten Annahmen und leider auch auf vielen Vorurteilen. Meiner Erfahrung nach ernähren sich Menschen, die vegan leben, sehr bewusst. Sie setzen sich mit dem Thema einfach nachhaltig auseinander. Kaum jemand aus unserer Generation ist vegan erzogen worden, wer sich umstellt, tut das bewusst und meist auch langfristig. Bis zu einer vollständigen Akzeptanz in der Gesellschaft ist der Weg noch lang. Die Fleischindustrie ist ebenfalls mächtig, wir werden sehen, wie laut unsere Stimmen werden können. Die vegane Bewegung wächst.
Wie kam Dein beruflicher Wechsel von der Fotografin zur Fleischloserei?
In der Pandemie verlor ich meinen Job als Fotografin. Fotografie ist halt nicht systemrelevant. So habe ich mich einem anderen großen Interesse zugewandt: dem Erschaffen von Dingen. Ich gebe nicht auf, ich bin eine Macherin. Als Autodidaktin habe ich einfach ausprobiert, was ich erreichen kann, und bin stolz darauf, wie weit ich mit der Fleischloserei schon gekommen bin. Tatsächlich scheint es immer noch der Anfang der Reise…
Bist Du glücklich mit der Entscheidung?
Ich bin sehr glücklich, ja. Aber machen wir uns nichts vor: Es ist nicht leicht. Das Business mit Lebensmitteln ist wirklich eine Herausforderung. Es wird einem nicht leicht gemacht, sagen wir so. Aber ich glaube fest daran, dass das, was ich tue, einen Sinn hat. Für mich, aber auch für meine Mitmenschen, die Erde, die Tiere, unsere Umwelt.
Siehst Du Dich als Botschafterin für vegane Ernährung?
Ja, ich bin sicherlich eine Vorausgeherin, das war ich immer schon. Ich bin nicht unbedingt die Ausführerin, sondern sehr gerne die Initiatorin, das liegt mir. Inspirieren und Vorausgehen und Menschen mitnehmen. Oft höre ich, dass ich allein durch mein Handeln eine Inspiration bin. Das ist wunderbar.
Fortsetzung folgt!
Seid gespannt auf den zweiten Teil und schaut Euch bis dahin bei uns im Blog um. Bei uns wird es garantiert nie langweilig.